Samstag, 26. Mai 2012

"Negerpuppe"

Sarah Kuttner
von Superbass (Eigenes Werk)
[CC-BY-SA-3.0]
via Wikimedia Commons

Das darf doch nicht wahr sein!


Die Fernsehmoderatorin und Buchautorin Sarah Kuttner sorgte am 18. Mai 2012 im Hamburger Klub Uebel & Gefährlich (St. Pauli) für einen Eklat. Oder war es gar nicht sie, die dafür sorgte?


Was war passiert?


Sarah Kuttner wollte nur eines. Bei einer Lesung aus ihrem Buch "Wachstumsschmerz" vortragen. In einer ihrer ausgewählten Passagen erzählt die Protagonistin Luise von einem Spielzeug - einer "Negerpuppe". Dabei ist auch die Rede von einem "obszön großen Kopf" und einem "furchterregenden Paar praller, aufgenähter Wurstlippen".

Ein 37 Jahre alter Mann mit äthiopischen Wurzeln fühlte sich von diesen Textpassagen rassistisch beleidigt. Er rief die Polizei. Diese machte dem Uebel & Gefährlich ihre Aufwartung. Und so begann der Stein zu rollen.

Der Stein rollte nicht nur - er poltere regelrecht. Und zwar durch sämtliche Medien. Durch die Presse und durch das Internet.


Die Hetzjagd auf Frau Kuttner ist eröffnet!


Sarah Kuttner hüllte sich in Schweigen. Dafür schrien alle anderen um so lauter.

Mola Adebisi (39), ehemaliger Viva-Kollege, sagte gegenüber der "Hamburger Morgenpost":
"Sie wird sich nicht äußern, weil sie die Situation nicht reflektieren kann. Ihr fehlt die emotionale Intelligenz, sie ist minderbemittelt. Sarah Kuttner ist in der Entwicklung stehen geblieben. Ich würde mich freuen, wenn Sie mal Juden-Witze machen würde, dann wäre ihre Karriere nämlich beendet! Aber Türken und Afro-Deutsche leisten nicht den Widerstand. Juden lassen sich keine Beleidigung gefallen."
Tahir Della (50), Vorstandsmitglied der "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland" (ISD) erklärte der "Hamburger Morgenpost":
"In Deutschland hat der Begriff 'Neger' einen rassistischen Hintergrund und wurde nie wertneutral verwendet. Schwarze Menschen fühlen sich bei dieser Bezeichnung verletzt."
Auch auf Facebook wurde Jagd auf Frau Kuttner gemacht. Sie wurde beschimpft. Ihr wurde gedroht.

Und das alles nur, weil die "Hamburger Morgenpost" keine sofortige Stellungnahme von den Managern von Frau Kuttner erhielt und mit ihrer Berichterstattung diesen Eklat anzettelte.


Aufklärungsbedarf!


Ja, es gibt Aufklärungsbedarf. Soviel steht fest. Einige Tage nach dem Vorfall brach Sarah Kuttner das Schweigen.

Sarah Kuttner schrieb deshalb auf Facebook:
"Ich bin zutiefst erschrocken darüber, wie viele Menschen sich in den letzten Tagen eine handfeste Meinung über mich, basierend auf einer einseitigen Berichterstattung der Boulevardpresse, gebildet haben. (...) Ich bin kein Rassist. Ich habe mich auf keiner meiner Lesungen rassistisch geäußert, ganz im Gegenteil: Ich habe mich über ein rassistisches Spielzeug echauffiert."
Unterstützung erhält sie auch von Andreas Zick, Professor am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung in Bielefeld. Er sagte gegenüber "jetzt.de" (Süddeutsche Zeitung):
"Ich kann mir vorstellen, dass sich jemand mit äthiopischen Wurzeln davon angegriffen fühlt, ich bin mir aber nicht sicher, ob da wirklich alles zutrifft, was gegen Frau Kuttner vorgebracht wird. Nachdem, was ich weiß, würde ich ihr keinen Rassismus bescheinigen wollen."
Frank Spilker, Sänger der Band "Die Sterne", sagte dem "SPIEGEL":
"Sie hat den Alltagsrassismus thematisiert, der ihr jetzt vorgeworfen wird."


Stein des Anstoßes


Was war denn nun der "Stein des Anstoßes", der die ganzen Vorwürfe und Gegendarstellungen auslöste? Lassen wir doch einfach mal die Passage aus dem Buch "Wachstumsschmerz" von Sarah Kuttner für sich sprechen.
"Nichts zu sagen ist allerdings gegen meine Negerpuppe. Ein riesiges Stoffungetüm, ganze achtzig Zentimeter purer, unschuldiger Rassismus mit einem obszön großen Kopf, der so schwer ist, dass er der Puppe immer wieder auf die schmalen Schultern fällt und ihr so permanent einen ergreifend niedergeschlagenen Eindruck verleiht. Als wäre das nicht schon entsetzlich genug, wird das Ganze noch von einem furchterregenden Paar praller, aufgenähter Wurstlippen getoppt. Vollkommen undenkbar, dass so etwas heute noch verkauft würde (...)."
Frank Spilker (Die Sterne) erläutert dazu:
"Sie erzählte, dass sie die Puppe als stereotyp wahrgenommen hat und sich wunderte, warum ihre aufgeklärten Eltern ihr in den Achtzigern eine solche Puppe geschenkt haben."


Political Correctness?


Nach diesem Hick-Hack um ein paar Wörter stellt sich die Frage, was man heutzutage denn überhaupt noch sagen darf? Was ist mit der "Political Correctness"?

Ok. Das Wort "Neger"  (span. negro, frz. nègre von ursprünglich lat. niger für schwarz) ist verpönt, da es durch die Geschichte eine rassistische Vorbelastung erfahren hat. Obwohl, ich habe noch keinen in Deutschland lebenden Mensch mit afrikanischem Hintergrund getroffen, der sich über das Wort "Neger" aufgeregt hätte. Doch das nur am Rande. Dafür soll man diese Menschen jetzt als "Schwarze" oder "Afro-Deutsche" titulieren, je nach Staatszugehörigkeit. Geht's noch?
  1. Es gibt nicht nur "schwarze" Afrikaner. Viele haben eine deutlich hell- oder dunkelbraune Färbung der Haut. Damit fällt "Schwarzer" in die gleiche Kategorie wie "Neger".
  2. Es gibt keine "Afro-Deutschen". Es gibt entweder Deutsche oder Ausländer, die in Deutschland leben. Oder steht beim "Afro-Deutschen" im Ausweis unter Staatsangehörigkeit etwas anderes als bei mir? Wohl kaum!
Erlaubt ist auch noch der Ausdruck "Farbiger". Moment mal. "Farbiger"? Also wenn die Afrikaner "farbig" sind, was bin ich als Mitteleuropäer dann? "Nicht-Farbig"? Das heißt dann, dass ich "weiß" bin. Anders kann ich das nicht verstehen. Bei solchen Formulierungen fühle ICH mich beleidigt! Wie eine weiß gekalkte Wand sehe ich bestimmt nicht aus - noch nicht einmal im Winter.


Was also tun?


Ganz einfach. Wir lassen die Kirche (oder wegen meiner auch die Moschee etc.) im Dorf. Zeigen wir menschliche Größe, indem wir über den ein oder anderen Begriff hinwegschauen. Vielleicht erkennen wir dann auch, dass das ach so böse Wort in einem bestimmten Kontext gebraucht wurde, den wir mit engstirniger Denkweise gar nicht erkennnen konnten.

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