Mittwoch, 25. Juli 2012

Sind wir alle Attentäter?

Facebook-Verweigerer sind verdächtig. So scheint es in einem Artikel in "Der Tagesspiegel" rüber zu kommen.


Die Autorin Katrin Schulze wirft die Frage auf, ob die Abstinenz bei sozialen Netzwerken schon ein Indiz für einen Attentäter ist. Sie versucht diesen Eindruck sogar zu verstärken, indem sie in der Einleitung von mehreren Forschern spricht, die dieser Überzeugung sind. Im Text selbst allerdings findet sich nur ein Hinweis auf den Psychologen Richard E. Bélanger und nicht näher genannte Kollegen. Vermutlich gibt es die nicht einmal. Sie verweist auf eine Studie des besagten, in der er festgestellt haben will, dass "junge Menschen, die sich mit ihren Online-Aktivitäten sehr zurückhalten oder das Netz gar nicht nutzen, ähnlich häufig zu Depressionen und anderen psychischen Leiden neigen wie jene, die das Netz exzessiv nutzen." Für Jugendliche, die maximal zwei Stunden am Tag das Internet nutzen, sollen diese Risiken ausgeschlossen sein.

Depressionen oder andere psychische Leiden bilden jedoch noch keinen kausalen Zusammenhang zu den Vorstellungen eines Attentäters. Erstaunlich ist auch, dass die Autorin eine Verbindung zwischen Unauffälligkeit im Internet und Attentätern herzustellen versucht. Da richte ich doch mal eine Frage an alle, die vor 1980 geborenen sind. Seid ihr, da ihr in eurer Jugend kein Internet hattet, alle zu Attentätern geworden? Natürlich nicht. Ihr hattet sicher besseres zu tun, wie z.B. Freunde treffen oder euch in einem Verein zu engagieren.

Doch was macht denn nun einen Attentäter aus?

Im Prinzip habe ich es schon gesagt. Ein "normaler" Mensch hat ein stabiles, soziales Umfeld. Das sind echte Freunde oder in der heutigen Zeit auch Internetbekanntschaften. Von ihnen erhält er Bestätigung und Anerkennung. Das fehlt bei Attentätern. Sie leben sehr zurückgezogen - schotten sich von der Außenwelt ab. Oft, weil sie der Meinung sind, dass sie gemobbt oder gehasst werden. Zuweilen trifft das auch real zu. Selbst nahen Verwandten vertrauen sie sich nicht an. Doch das allein reicht noch nicht, um aus einem Menschen einen Attentäter zu machen. Es muss noch eine ganz wichtige Voraussetzung erfüllt sein. Nämlich, dass der potenzielle Attentäter Zugang zu Waffen hat. In dieser Kombination wird aus einem Menschen mit psychischen Leiden jemand, der die Möglichkeit sieht, sich gegen die (vermeintliche) Bedrohung von außen zur Wehr zu setzen. Die Waffe ist für ihn ein Instrument der Macht, mit der er sich Gehör verschaffen will und der einzige, für ihn gangbare Weg. Dabei wählt er mit Absicht die Maskerade des Bösen, da er meint, sein Umfeld würde ihn genau so sehen. Er möchte nur der angenommenen, äußeren Sichtweise entsprechen. Nicht mehr.

Dass seine Handlungen zu Chaos bei den Betroffenen führen wird, ist ihm meist völlig bewusst und auch beabsichtigt. Seine Beweggründe, selbst wenn sie verständlich sein mögen, machen seine Taten jedoch nicht weniger schlimm.

Was können wir tun?

Zu Attentätern werden (vornehmlich junge) Menschen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt werden oder sich von ihr ausgestoßen fühlen. Wenn wir also jemanden sehen, der gemobbt wird oder sonst wie unterdrückt wird, ist es da richtig, wenn wir der Masse folgen? Sicher nicht. Wegschauen hilft diesem Menschen leider auch nicht, sondern nur, dass wir uns mit ihm solidarisieren, zu ihm halten. Das ist die einzige - wenn auch mit viel Überwindung verbundene - Möglichkeit, ihn aus seiner Isolation heraus zu holen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen